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Asiaticus: China im Abwehrkrieg

in:

Die Neue Weltbühne, Prag-Zürich-Paris, Nr. 35 vom 26. August 1937, S. 1092-1094

 

Der folgende Bericht aus Shanghai wurde am dreissigsten Juli zur Post gegeben, also vor dem Ausbruch der Kämpfe in Shanghai. Er war länger unterwegs als üblich; laut Poststempel traf der Brief erst am achten August in Tientsin ein.

In den Mittagsstunden des achtundzwanzigsten Juli erreichte uns in Shanghai die Nachricht, dass die 29. Armee in Hopei die Gegenoffensive gegen die japanische Invasion ergriffen habe; die strategisch wichtigen Bahnpunkte Fengtai und Langfang seien von den chinesischen Truppen zurückerobert worden. Diese Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer durch ganz Shanghai und in wenigen Minuten war die Stadt in einen Taumel der Begeisterung versetzt. Die Chinesen pflegen ihre religiösen Feierlichkeiten mit recht laut explodierenden »fire-crackers« zu begehen. Ganz spontan griffen sie nun zu diesem Mittel, um ihre Freude und ihren Kampfwillen zu bekunden, und sicherlich haben die himmlischen Heerscharen noch niemals bei religiösem Feuerwerk so gewaltige Detonationen von der chinesischen Erde vernehmen können. Die Strassen füllten sich mit chinesischen Menschenengen, stundenlang -war Shanghai voll Getöse; es war als habe ein allgemeines Luftbomardement Shanghai heimgesucht, eine feierliche und imposante Demonstration in einer Stadt, wo Strassendemonstrationen verboten sind, und wo eine starke japanische Garnison mit Tanks und Artillerie und assistierendem Flottengeschwader nur auf den Anlass wartet ,um genauso wie in Nordchina dreinzuschlagen. Aber gegenüber dieser Demonstration von Millionen, die nichts anderes taten, als dass sie die chinesische Nationalflagge hissten: und ihre »fire-crackers« unter Begeisterung und Jubel abfeuerten, war auch die japanische Garnison von sogenannten Landungstruppen machtlos.

 

Mit derselben Begeisterung wie in Shanghai wurde die Nachricht vom chinesischen Gegenangriff in Nanking und in vielen anderen Städten Chinas aufgenommen. Die allgemeine Freude galt weniger den erzielten Erfolgen, die sich sehr rasch als nur vorübergehend erwiesen, als der Tatsache, dass die japanische Invasion diesmal nicht ohne bewaffnete Abwehr hingenommen wurde. Die Massen des chinesischen Volkes haben den Erklärungen ihrer Regierung, dass sie entschlossen ist, Nordchina mit bewaffneter Macht zu verteidigen, nicht ohne weiteres geglaubt; sie warteten mit Ungeduld auf die Taten, die diese Erklärungen unter Beweis stellen sollten. Die Tatsache, dass die 29. Armee auf Weisung der Nationalregierung zum Gegenangriff übergegangen ist, war für sie der erste Beweis, und sie zollte ihm Beifall mit der ganzen Uberschwänglichkeit und Hoffnungsfreudigkeit einer langgequälten Na-tion, die endlich den Weg zu einer Wendung ihres Schicksals geöffnet sah. Die Massen haben begriffen, dass in diesem Kampf auf Tod und Leben die nationale Einheit der grösste Aktivposten ist. Aber die Frage dieser nationalen Einheit ist das Sorgen- und Schmerzenskind des chinesischen Volkes, das noch von vielen Gefahren umgeben ist, nicht zuletzt gerade von jener Seite, die für den gegenwärtigen militärischen Abwehrkampf in Nordchina sehr wichtige Kommandoposten innehat. Man kann es daher verstehen, dass die chinesischen Massen über die wenigen Anfangserfolge in Nordchina so jubelten, trotzdem sie die militärische Stärke ihres Feindes keineswegs unterschätzen.

 

Japan hat auch diesmal China keinen Krieg erklärt, und nach den offiziellen Erklärungen aus Tokio handelt es sich lediglich um eine Strafexpedition, weil die nordchinesischen Truppen immer arroganter wurden und die Nankingregierung die Frechheit besass; sich beim japanischen Ordnungszug in Nordchina störend einzumischen. Der Kriegsminister Sugiyama hat China verwarnt, die Erfolge der bisherigen Zentralisierung nicht zu überschätzen, sie seien nur äusserer Art und würden sich in einer Krise als hohl erweisen. Um diesen Beweis zu liefern, wurde China überfallen. Die japanische Militärclique spekulierte darauf, dass Sungchengyuan und seine Untergenerale in Nordchina, die sich bisher im Interesse ihrer eigenen autonomen Stellung den nankinger Zentralisierungsplänen widersetzten, keinen Kampf wagen würden, der sie mit völliger Unterstellung unter das zentrale Kommando Tschiangkaisheks bedrohte. Aber die Truppen- Sungchengyuans sind so stark von der antijapanischen Massenbewegung ergriffen, dass ihre Generalität zum Widerstand gezwungen war, wollte sie ihre Armee nicht durch eine Meuterei verlieren. Sungchengyuan und seine Untergenerale waren bereit, mit dem Kommandostab der japanischen lnvasionsarmee zu paktieren, und sie haben auch trotz der Weisungen Nankings eigenmächtige Abmachungen getroffen; aber sie konnten diese Abmachungen nicht halten, weil ihre Truppen nicht mitmachten. Japan kann auch jetzt noch chinesische Verräter kaufen und mit chinesischen Generalen paktieren, aber die militärischen Kräfte Chinas entziehen den Verrätern das Mandat, für sie zu paktieren, und kämpfen gegen den Angreifer.

 

Auch in Nanking selbst kämpften zwei Richtungen miteinander, von der die eine den Abwehrkrieg mit Japan für unvermeidlich hielt und die andere durch Opferung von Tientsin und Peiping dem Kampf mit Japan ausweichen oder zumindest aufschieben wollte. Der starke Einfluss Englands in Nanking hat es durchgesetzt, dass der Widerstand auf Nordchina  beschränkt wurde, was praktisch bedeutete, dass die zentralen Truppen nicht zur Vereinigung von Tientsin und Peiping eilten; damit wurde das Schicksal dieser Städte besiegelt. Die Nankingregierung hoffte darauf, dass eine englische Frontstellung gegen Japan entweder den Angreifer abschrecken oder eine Einmischung der Mächte zur Erhaltung des Friedens beschleunigen würde. England hatte sich aber auf freundschaftliche Vorstellungen in Tokio (nebst dem Druck auf Nanking zur »Nachgiebigkeit«) beschränkt. Als dann die japanische Invasion zur vollen Entfaltung kam, bekam auch in Nanking die Richtung, die auf entschlossenen Anwehrkrieg drängte, die Oberhand, während gleichzeitig das englische Interesse an einer ernsthaften chinesischen Abwehr gestiegen ist. Nanking hatte erklärt, dass es bei einem japanischen Angriff auf Nordchina das chinesische Territorium im Abwehrkrieg verteidigen werde; aber es wollte gleichzeitig solange als möglich den Frieden erhalten. Die englische Vermittlung aber, die nur soweit ging, um Tokio nicht zu verstimmen, hat nur bewirkt, dass der chinesisch-japanische Krieg mit einem Rückschlag im Gebiet Peiping und Tientsin, mit einer Schwächung der chinesischen und Stärkung der japanischen Positionen angefangen hat. Nanking hat eine bittere Lektion erhalten; im Kampf um die Rettung Nordchinas muss es fortan allein seinen eigenen militärischen und nationalen Kräften vertrauen, es darf sich durch keine englischen Versprechungen von der Innehaltung dieses strategischen Prinzips abbringen lassen. In weiten Kreisen Nankings, besonders den militärischen Kommandos, ist, wie berichtet wird, diese Lehre auch gezogen worden.

 

Es liegt der ganzen friedliebenden Welt daran, dass der japanische Massenmord in China durch eine internationale Friedensaktion, die dem Angreifer in den Arm fällt, aufgehalten werde. Eine solche Friedensaktion kann nur dann erfolgreich sein, wenn alle pazifischen Mächte, England, die USA, die Sowjetunion und Frankreich, den Abwehrkampf des chinesischen Volkes unterstützen und gemeinsam gegen die japanische Aggression auftreten. Sowohl der deutsche als auch der italienische Botschafter haben in Nanking erklärt, dass sie für den Frieden wären und sogar »Sympathie« für China hätten, aber es für ratsamer hielten, dass keine Einmischung von ausländischer Seite erfolge. In diesem Zusammenhang haben sie sich auch zu der versteckten Drohung verstiegen, dass eine Einmischung seitens der USSR, falls sie von China gewünscht würde, dem internationalen Ansehen der gegenwärtigen chinesischen Regierung sehr schaden könnte. Es handelt sich hier natürlich nicht um eine »Einmischung« der USSR allein sondern aller pazifischen Mächte einschliesslich der USSR, was den Plänen Nazi-Deutschlands, des Verbündeten Japans, sehr zuwider wäre. Dieser deutsch-italienische Plan der »Nichtintervention« stimmt durchaus mit den Wünschen Japans überein.