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Asiaticus: Zweites Mandschukuo

in:

Die neue Weltbühne, Prag-Zürich-Paris, Nr. 28 vom 11. Juli 1935, S. 870-874

 

Shanghai, im Juni 1935

 

Ein neuer Akt im chinesischen Drama nähert sich seinem Abschluss. Im Waffenstillstand von Tangku, der dem Raub der vier nordöstlichen Provinzen folgte, wurde die Grosse Mauer als Grenze Chinas bezeichnet. Das war vor zwei Jahren. Jetzt wird der Gelbe Fluss zur Grenzlinie, zur selben Zeit, da Japan sich den Witz leistet, seine chinesische Gesandtschaft zur Botschaft avancieren zu lassen. Und die so geehrte chinesische Regierung hat das Ultimatum der japanischen Generäle mit einem Gewinsel beantwortet. Die Henker der chinesischen Arbeiter und Bauern lecken den japanischen Militärstiefel.

 

Wie die Auslieferung Nordchinas an den japanischen Imperialismus vor sich geht, zeigt folgendes Beispiel: Sämtliche Forderungen, die vom japanischen Armeekommando in Dairen, Zweigstelle Tientsin, den nordchinesischen Regierungsvertretern im Verlauf von vierzehn Tagen ultimativ präsentiert wurden, hatten zur Vorbedingung, dass ihr Inhalt nicht veröffentlicht werde. Die chinesischen Generäle haben diese Forderung beachtet; keine chinesische Zeitung durfte ihren Lesern mitteilen, dass die Japaner ein Ultimatum gestellt haben, das von grösster Tragweite für Nordchina ist; auch die einzelnen Forderungen durften nicht veröffentlicht werden, ja nicht einmal soweit sie von der örtlichen japanischen Presse selbst zugegeben oder auch von der übrigen ausländischen Presse publiziert wurden. Der peipinger Korrespondent der »North China Daily News«, des englischen Organs in Shanghai, berichtet, dass sogar »Telegramme nach London, New York, Paris und Shanghai, die die örtliche Situation behandeln, und zwar auch jene, die günstig für die Chinesen und kritisch gegenüber der japanischen Armee sind, von den chinesischen Zensoren nicht durchgelassen werden. Aber alle Sendungen der japanischen Nachrichtenagenturen, ohne Rücksicht darauf, wie sie gegen die chinesischen Behörden gerichtet sind, geniessen freien Durchlass.« Auch die Nankingregierung hat sich an das Schweigegebot gehalten, sie hat nicht gewagt, der chinesischen Öffentlichkeit und der Welt den Wortlaut öder den vollen Inhalt des Ultimatums mitzuteilen, zur selben Zeit, als die japanischen jeden weiteren Schritt Nankings und der nordchinesischen Kapitulanten in alle Welt posaunten.

 

Der Angriff begann mit einer japanischen »Polizeiaktion« gegen einen angeblichen Banditenhaufen, der sich von Mandschukuo nach Nordchina zurückgezogen hatte. Die japanische Armee, die die Zahl dieser »Banditen« selbst auf einige Tausend schätzte, konnte mit ihnen in Mandschukuo nicht fertig werden. Sie schickte ihnen deshalb, wie sie berichtete, etwa tausend Mann aufs nordchinesische Gebiet nach und siehe da: hier konnten sie innerhalb weniger Tage vernichtet werden. Die Japaner berichteten von dreihundert Toten auf der Seite der »Banditen« und von einer unschätzbaren Beute, nämlich dem »Beweis«, dass der Provinzgeneral von Hopei und die Magistrate im Kampfgebiet die »Banditen« ausrüsteten und beschützten. Darauf forderte ein Ultimatum: Absetzung des Povinzgenerals; Abzug seines Armeekorps sowie der Nanking unterstellten peipinger Divisionen aus Hopei; Verlegung der Provinzhauptstadt von Tientsin nach Paotingfu; Auflösung des nordchinesischen Militärischen Rates sowie sämtlicher Kuomintangorganisationen in Hopei; Verlegung der chinesischen Universitäten und Hochschulen aus Peiping; Unterdrückung aller antijapanischen Organisationen; und schliesslich: Garantien für die »Ehrlichkeit« der chinesischen Behörden in der Durchführung dieser Punkte. Zunächst wurde die Verlegung der Provinzhauptstadt nach Paotingfu angeordnet, wobei der chinesischen Öffentlichkeit amtlich erklärt wurde, dass Paotingfu sich viel besser als Hauptstadt der Provinz eigne. In einem Erlass der Nankingregierung wurde alles, was »der Aufrechterhaltung friedlicher Beziehungen zwischen China und seinen Nachbarländern« schädlich ist, untersagt; alle japanfeindlichen Organisationen wurden verboten; da es im Interesse Chinas liege, »die internationalen Verpflichtungen getreulich zu erfüllen und den Weltfrieden zu wahren.« Als die Nankingregierung noch etwas zögerte, ihren Kopf in die japanische Schlinge zu legen, erklärte die japanische Presse, dass die Tage Tschiangkaischeks als chinesischer Generalissimus gezählt seien. Das genügte. Nanking hat sämtliche Forderungen akzeptiert und alle Japan unerwünschten Generäle mit ihren Truppen, alle Behörden, Organisationen, die Japan in Nordchina für überflüssig hält, verlassen jetzt hastig Hopei. Das Armeekorps des Provinzgenerals wanderte nach Shensi, jenseits des Gelben Flusses; nach Tientsin kommt der General Shang Chen, den ein Vertreter des japanischen Aussenministeriums in einem Interview als »fine gentleman« bezeichnet. Wie »fine« er ist? Als er bei seiner Ankunft zwei Kavallerieschwadronen und ein Infanteriebataillon nach Tangku legte, empfing ihn der örtliche japanische Offizier mit dem Ultimatum, alle Truppen bis auf eine Kompagnie, die »für die Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung ausreiche«, wieder wegzuschicken; was er auch prompt tat.

 

Der Sinn dieses japanischen Angriffs? Die Provinz Hopei mit dreissig Millionen Einwohnern, die nördlich und nordwestlich von ihr gelegenen Provinzen Shantung und Shansi. sowie die innermongolischen Gebiete Chahar und Suiyuan, mit dem Gelben Fluss als der südlichen Demarkationslinie, werden in ein neues a»Mandschukuo« verwandelt. Zunächst wird die Provinz Hopei von chinesischen Truppen geräumt. Da sie die strategische Basis der anderen erwähnten Provinzen ist, liegt somit das ganze Gebiet nördlich des Gelben Flusses auf dem Operationstisch des japanischen Armeekommandos, das nun Eisenbahnlinien von insgesamt zweieinhalbtausend Kilometern mit britischen und französischen Investitionen beherrscht und mit. dem mandschurischen Bahnsystem verbindet. Sämtliche Zugänge zur Inneren Mongolei und von dort zur Mongolischen Volksrepublik, nach Ostsibirien und zu den Provinzen, die an Sowjet-Zentralasaien grenzen, liegen offen. In der inneren Mongolei werden Heerstrassen gebaut und Aerodrome errichtet. Sämtliche Bahnen in der Richtung Innere Mongolei führen von nordchinesischer Seite über Hopei. Japans Hegemonie über Nordchina war auch vor dieser Aktion Tatsache. Aber für den japanischen Überfall auf die Sowjetunion ist die völlige Beherrschung der hier gelegenen Bahnlinien, Heerstrassen und Luftlinien erforderlich. Deshalb leitet diese Aktion die völlige Abtrennung dieses Gebiets von China und seine Einordnung in den Bereich des japanischen Armeekommandos ein.

 

Der britische Imperialismus, der in seiner Chinapolitik auf einen Krieg Japans mit der Sowjetunion spekuliert, spürt aber jetzt schon, wie die Axt auch an die Wurzeln der britischen Positionen in China gelegt wird. Die amerikanische »China Weekly Review« teilt in einem redaktionellen Artikel vom achten Juni mit, dass »Japan der chinesischen Regierung verboten hat, über irgendwelche Handelsabkommen, Nichtangriffsverträge oder Verständigungen irgendeiner Art mit der Sowjetunion zu verhandeln«. Der japanische Imperialismus, der durch seine Positionen in Nordchina, in Shanghai, in Fukien und in Südchina jetzt jederzeit der chinesischen Regierung den Hals zudrücken kann, verbietet ihr manches, was dem britischen Imperialismus gefällig wäre. Wie lange noch wird der Köder des Antisowjetkrieges dem britischen Imperialismus über seine aktuellen Sorgen und Schmerzen in China und in Asien hinweghelfen? Die Friedenspolitik der Sowjetunion, gepaart mit der gerade im Fernen Osten gewaltigen Abwehrmacht, gibt dem britischen und dem japanischen: Imperialismus eine steinharte Nuss zu knacken. Ein Blick in die britische Presse Chinas während der letzten Aktion zeigt jedenfalls, dass es da sehr ungemütlich wird. Simon hat noch in seinem letzten Auftritt als Aussenminister im Unterhaus erklärt, dass nach seinen Informationen die Japaner die Einbeziehung von Tientsin und Peiping in die demilitarisierte Zone nicht beabsichtigen, – was auch, diplomatisch gesprochen, stimmte, da zur selben Zeit das japanische Armeekommando nicht allein Tientsin und Peiping sondern die ganze Provinz Hopei »demilitarisierte«.

 

Das Shanghaier Organ des USA-Imperialismus, die »China Weekly Review« schreibt zum neuen japanischen Angriff:

 

Der jammervolle Grundzug der Lage, in all seinen grausigen Tatsachen gegenwärtig enthüllt, ist der völlige Zusammenbruch der nationalistischen revolutionären Bewegung, die erst vor wenigen Jahren Millionen der chinesischen Jugend mit Hoffnungen auf einen besseren Tag erfüllte. Niemals, vielleicht seit der britischen Eroberung Indiens, bot sich der Welt das Schauspiel, wie ein grosses Land einer auswärtigen Macht unterordnet wird, ohne ernsthaften militärischen Widerstand und obwohl China wahrscheinlich mehr Menschen unter Waffen hat als irgendein anderes Land.

 

Dasselbe Organ bringt in derselben Nummer, wie in jeder anderen, seitenlange Berichte darüber, wie die von ihm gefeierten Armeen Tschiangkaischeks und der kleinen Generalsdespoten, unterstützt und geführt von den imperialistischen »Ratgebern«, über die Roten Armeen und die Sowjetgebiete Chinas herfa1len, mit den modernsten Mordwaffen, mit den von den USA gelieferten und von amerikanischen Instrukteuren geführten Bombenflugzeugen. Die Kuomintang-Generäle, die unerhört grausam gegen alles Revolutionäre und Fortschrittliche sind, wurden damit die Henker der nationalrevolutionären Bewegung; jetzt stehen sie wirklich jammervoll da. Sie werden benutzt, solange sie gebraucht werden, wie Tschangtsolin, der in Japans Diensten das Land brandschatzte und schliesslich von einer japanischen Höllenmaschine aus dem Weg geräumt wurde. Von diesen Generälen erwarten die Millionen der chinesischen Jugend, der Arbeiter und Bauern, nichts.