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Asiaticus: In den Blutspuren der Kokuhonsha

Die Weltbühne, Berlin, XXVIII. Jahrgang, Nr. 22 vom 31. Mai 1932, S. 810-813

 

Anfang März dieses Jahres wurde der Generaldirektor des mächtigen Mitsui-Konzerns, Baron Takuma Dan, ermordet. Kurz vorher ereilte den Finanzminister Inouye dasselbe Schicksal. Die amtliche Untersuchung über die Morde ergab, daß die Attentäter meist junge, aktive Offiziere waren; auf ihrer Mordliste hatten die Verschwörer noch viele andre Persönlichkeiten, darunter Ministerpräsident Inukai, vorgemerkt.

 

Am 24. März wurde im Oberhause der Kriegsminister und Vertrauensmann der Generalität im Kabinett, General Araki, wegen dieser Morde interpelliert. Der Abgeordnete Matsumura erhob die sensationelle Anklage, prominente Mitglieder des Generalstabes und Persönlichkeiten aus der engsten Umgebung der »Staatspfeiler« (Umschreibung für die Krone) stünden hinter den Attentätern. Araki schwieg zu dieser Beschuldigung und bedauerte nur, daß junge Leute und Offiziere sich von ihren patriotischen Gefühlen auf solche Wege treiben ließen; es sei aber für ausreichenden Schutz gesorgt.

 

Am 21. April hielt Araki auf Einladung der Kokuhonsha in Osaka eine Rede, die in Japan und mehr noch im Aus1and großes Aufsehen erregte. Er erklärte dort, Japan werde weder dem Völkerbund noch Sowjetrußland erlauben, sich in die Verhältnisse der Mandschurei einzumischen oder Japans Pläne zu behindern. Die Ansicht einer gewissen Großmacht, dass der Washingtoter Neun-Mächte-Vertrag, der von der Wahrung der Unteilbarkeit Chinas spricht, auch für die Mandschurei gelte, werde überhaupt nicht beachtet werden. Das japanische Volk müsse mit dem neuen Regime in der Mandschurei eng zusammenarbeiten, um dort ein Paradies auf Erden zu schaffen. Die Armee müsse in jeder Hinsicht und noch viel mehr als bisher die Armee des Kaisers sein. Insbesondere müssen alle Bestrebungen, die Ausgaben für die Land- und Seestreitkräfte zu beschneiden, zurückgewiesen werden.

 

Diese Rede war auch für Japan selbst nicht nur deshalb eine Sensation, weil sich hier ein so prominentes Regierungsmitglied wie der Kriegsminister, der nach der japanischen Verfassung weder dem Parlament noch dem Ministerpräsidenten, sondern direkt dem Generalstab und der Krone verantwortlich ist, offiziell für die Mißachtung der geltenden Verträge und für die Annexian der Mandschurei aussprach. Das Auffallendste war, daß er diese Rede in. einer Veranstaltung der Kokuhonsha, einer militärfascistischen Organisation hielt, die doch der engsten Verbindung mit den Attentätern beschu1digt wurde und die in ihrem Programm ausdrücklich für den Sturz der Partei- und Parlamentsregierung und für Errichtung einer nationalen Diktatur eintritt. Daher wurde auch seine Rede in der Presse als Solidarisierung des Generalstabes mit den Zielen der Kokuhonsha bewertet, deren Präsidenten Hiranuma man als kommenden Ministerpräsidenten bezeichnete.

 

Wenige Wochen darauf fiel auch der Ministerpräsident Inukai, das Haupt der Seiyukai-Regierung, einem Attentat zum Opfer. Die Attentäter waren Mitglieder der Kokuhonsha. Im Anschluß an das Attentat forderten die Generale die Bildung einer nationalen Regierung; das heißt den Bruch mit dem bisherigen Brauch, wonach die stärkste Partei des Parlaments den Ministerpräsidenten stellt. Die Anwartschaft Suzukis, des Führers der Seiyukai, wurde übergangen, man übertrug die Ministerpräsidentschaft dem alten Kriegsveteranen Admiral Saito, der sich im ersten chinesisch-japanischen und auch im russisch-japanischen Krieg ausgezeichnet und sich besonders als Generalgouverneur von Korea bewährt hatte. Admiral Saito, unabhängig von Parteien und Parlament, wird zweifellos als Ministerpräsident mit Araki zur Seite – wie ihm die »Times« bescheinigen – »im stürmischen Wetter einen festen Kurs steuern«.

 

Unter einer Regierung der liberalen Minseito begann im September 1931 der mandschurische Feldzug. Kurz darauf hat an deren Stelle eine Regierung der konservativen Seiyukai, die natürlich die Siegesstimmung weidlich auszunutzen wußte, um sich bei den Wahlen eine Mehrheit zu sichern. Und doch haben die Generale dieser Seiyukai-Regierung, die der Fortführung des Krieges in der Mandschurei und dann auch der kostspieligen Offensive auf Schanghai keinerlei Hindernisse in den Weg stellte, einen so blutigen Abgang bereitet. Die Ursache dafür ist nicht etwa ein Gegensatz in der Stellung zur Kriegs- und Außenpolitik. Diese wird heute von der kaiserlichen Kamarilla und der mit ihr eng versippten Generalität bestimmt, sowohl die Regierung der Minseito als auch die der Seiyukai waren in diesen Fragen nur ausführende Organe. Die imperialistische Expansion auf dem Festlande, auf Kosten Chinas und der Sowjetunion, ist unter all diesen Parteien keine Streitfrage. Sie ist vielmehr für das heutige Japan als Großmacht eine Existenzfrage, eine Frage auf Tod und Leben, und alle diese Parteien schwören auf das Expansionsprogramm. Die Kriegspolitik des letzten Jahres hat aber eine so gewaltige Erstarkung der kaiserlichen und der militärischen Bureaukratie zur Folge gehabt, daß sie jetzt einen Schlag gegen die Partei- und Parlamentsregierung führen kann, um alle Garantien für die unbehinderte Fortsetzung des Krieges in die Hand zu bekommen. Was sie in den. Jahrzehnten der kapitalistischen Industrialisierung Japans der Bourgeoisie und den kleinbürgerlichen Massen an geringfügigen demokratischen Konzessionen – Wahlrecht und Partei- und Parlamentsregierung – gewähren mußte, das kann sie jetzt ins Feuer der Krise und des Krieges im abgekürzten Verfahren zunichte machen. Die massenhaft durch die großkapitalistische Entwicklung vernichteten kleinen Existenzen, die ausgepowerten Bauern, die durch die Finanz- und Wirtchaftskrise, durch die Enge des Raumes zur Rebellion gegen die Mitsuis, Yasudas, die großen Kapitalmagnaten, getriebenen Massen der Arbeiter und Kleinbürger werden von der militärfascistischen Organisation aufgefangen und für ihre reaktionären und diktatorischen Ziele eingespannt.

 

Wie grade dem Generalstab und der Admiralität eine solche Ablenkung zustatten kommen, beweist unter anderm die Tatsache, daß im neuen Etat der Posten für Armee und Flotte mit 455,6 Millionen Yen veranschlagt ist, während die Einnahmen aus den Steuern 708 und die Gesamteinnahmen 1252 Millionen ausmachen. Im vorigen Etatsjahr hat die Regierung zur Deckung von unvorhergesehenen Ausgaben, so der für den mandschurischen und den schanghaier Feldzug, öffentliche Anleihen von 440 Millionen aufgenommen, während im laufenden Etat Anleihen von 480 Millionen vorgesehen sind.

 

In seiner Rede vor der Kokuhonsha in Osaka sagt General Araki: »Wir brauchen keinen Faschismus, wir haben eine eigne große Kultur, die uns den Weg weist«. Und Baron Hiranuma fügte hinzu: »Wir haben ein ganz selbständiges Ziel und eine selbständige Mission und keinerlei Beziehung zum Fascismus«. Die Programmerklärung Hiranumas, der übrigens Vorsitzender des Höchsten Gerichtshofs und stellvertretender Vorsitzender des Privy Council, einer Art Kronrat, ist, verlangt, daß die kaiserliche Familie, die von der Göttin-Sonne abstamme, wieder zur alleinigen und unmittelbaren Führerin des Volkes werde. Es sei die Mission Japans, den Völkern des Ostens Friede und Wohlstand zu bringen. Die wichtigste Kraft hierfür sei die Armee, die den stärksten und moralisch reinsten Ausdruck der japanischen Nation darstelle. Jeder Japaner müsse bereit sein, alles, auch sein Leben für den Aufstieg der japanischen Nation einzusetzen, und dem Kaiser mit blindem Gehorsam folgen. Um die Reinheit der Nation und ihrer Ziele sicherzustellen, müsse man sich gegen die gefährlichen Ideen des Westens wenden. Zur Verwirklichung dieses Programms sei eine Abkehr von der Partei- und Parlamentsregierung und die Errichtung einer nationalen Regierung notwendig, die das Land nach den Ideen der Krone und der Armee regiere. Die äußeren Ziele sind Vollendung der Okkupation der Mandschurei, Sicherung der japanischen Interessen in der Mongolei und Verdrängung des Bolschewismus von jedem Stützpunkt im Fernen Osten. Dieses Programm ist vollständig, eine Anleihe beim italienischen oder deutschen Fascismus ist in der Tat überflüssig.

 

Nicht dem Baron Hiranuma, sondern dem Admiral Saito wurde die Ministerpräsidentschaft übertragen, Der Generalstab war zwar für den Präsidenten der Kokuhonsha, und auch der Mikado war dem nicht abgeneigt. Doch die Drohung des Führers der Seiyukai, einen gemeinsamen Oppositionsblock mit der Minseito, somit fast des ganzen Parlaments zu bilden, hat zum Kompromiß gezwungen. Aber die Politik des Generalstabes ändert sich nicht, und Baron Hiranuma kann noch warten. Diese Politik wird vom »Far Eastern. Review« in Schanghai, einem Organ, das von der japanischen Militärpartei ausgehalten wird, mit folgenden Sätzen umrissen: »Noch ein Jahr und Rußland würde im Norden Asiens eine strategisch unverwundbare Position haben! So stellt sich das Bild im Osten den. militärischen Führern Japans dar.« Diese militärischen Führer sind aber jetzt die Herren der japanischen Außenpolitik. Ihre Außenpolitik heißt kurz und bündig: Krieg!