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Dokumente: Ein Bericht von 1935

Aus: KPdSU(B), Komintern und die Sowjetbewegung in China.
Dokumente, Band IV: 1931-1937, Teil 1, Berlin 2006

 

Bericht von R. Baker
Moskau, 9. Mai 1935

 

S. 1004-1022, hier: S. 1009-1010 und 1014-1015

 

S. 1009

(…) Ich traf sie (gemeint ist Agnes Smedley – W. A.) zweimal in dem Hause von Möller, beim ersten Treffen sprachen wir über ihre Arbeit im Allgemeinen, und beim zweiten Mal gab sie mir ihren Arbeitsplan für die Zeitung, um ihn dem Büro zu übermitteln. (…)

Ich ging in das Haus von Möller (…) und fragte ihn, ob er zwei chinesische Genossen zeitweilig aufnehmen könne. Er war einverstanden, und am nächsten Tag brachte ich Liang und seine Kurierin, ein junges Mädchen, das ihm von der Partei gegeben war, in das Haus. Sie blieben eine Woche dort, bis zur Rückkehr von Smedley, und ich brachte Liang in ein anderes Haus, wobei ich die Genossin dort ließ in der Eigenschaft als »Amah« (Kindermädchen). (…)

 

S. 1010

Am selben Tag, als ich Liang in Möllers Haus brachte, erhielt ich die Instruktion, China zu verlassen. Ich fing sofort an, meine Angelegenheiten zu liquidieren, übergab die neue Parteiverbindung Wilhelm, ohne den neuen Genossen zu sehen. (…)

 

S. 1014

Das eine Haus, wo ich Smedley traf, war das von Möller. Sie teilte mir mit, dass er aus der deutschen Partei als Brandlerianer ausgeschlossen sei, hernach arbeitete er für die Sowjet-Botschaft [Generalkonsulat] in Shanghai bis 1927, dass sie mit ihm Verbindung hatte, als sie das letzte Mal [1932/33] in Shanghai war, dass er jetzt Artikel für die »Izvestija« und »Pravda« geschrieben habe. Ferner, dass er unlängst eine Reise nach Moskau gemacht habe für seine Wiederaufnahme, die aber abgelehnt worden sei. Es war klar, dass sie ein armes Leben fristeten aus dem Gehalt der Frau, 175 Shanghai-Dollar, sie wohnten in einer Einzimmerwohnung, ohne Magd und zahlten 35 Dollar Miete. Als Semdley weg war, besuchte ich Möller, um Liang [Pu] dort bis zur Rückkehr von Smedley unterzubringen. Ich willigte schließlich ein, Liangs Genossin dort zu lassen als »Amah«. Da sie ein junges Mädchen ist, konnte sie gut den Schein erwecken, als würde sie die Hälfte des Tages arbeiten und morgens in die Schule gehen. Es wurde abgemacht (ohne Kenntnis Möllers), dass ein Gewerkschaftsgenosse sie ein- oder zweimal in der Schule treffen sollte, und er würde die einzige Verbindung mit dem Gewerkschaftsbüro haben, ohne irgendeine andere Arbeit. (…)

 

S. 1015

Liang war über alle diese Details bezüglich Möller informiert, und nachdem alle anderen Möglichkeiten erschöpft waren, war er einverstanden, und so blieben die Vorkehrungen bestehen, als wir wegreisten. Liang verließ das Haus von Möller in einem Taxi um 9.30 abends, um auf das Schiff zu gehen. Er war in Begleitung von Möller und dessen Frau. Ich traf Liang auf dem Dampfer und begleitete ihn zu meiner Kabine, weil der Genosse, der dies tun sollte, abwesend war.

An Bord des Schiffes traf ich Černov und entdeckte, dass er ein mir sehr gut bekannter Genosse in Moskau aus den Jahren 1927/30 ist. Im Gespräch über die verschiedenen Probleme betreffs Liang, Smedley etc. teilte er mir mit, dass er aus Moskau die Information erhalten habe, dass Möller unter gewissem Verdacht stehe, mit der japanischen Regierung in Verbindung gestanden zu haben. Ich war sehr erschrocken über diese Mitteilung und möchte darauf drängen, dass dies sofort untersucht wird. (…)

 

Anmerkungen von Wolfram Adolphi (auf der Grundlage des Personenverzeichnisses im Dokumentenband):

 

Raymond Baker (1898 - ?), eigentlicher Name Rudolf Blum, 1930-1934 Mitglied des Zentralkomitees der KP der USA; 1929-1930 im Auftrag der Ostabteilung des Exekutivkomitees der Komintern (EKKI) in Korea und England; 1934-1935 im Auftrag der Roten Gewerkschaftsinternationale (RGI) in China.

 

Agnes Smedley (1892-1950), amerikanische Journalistin und Schriftstellerin, gelangte zu internationaler Bekanntheit mit ihren für die Zeit einmalig dastehenden Darstellungen der chinesischen Revolution (in deutscher Sprache unter den Titeln »China blutet« und »China kämpft«).

 

Liang Pu (1903-1975), eigentlicher Name Rao Shushi, Gewerkschaftsfunktionär, 1933-1935 Vorsitzender des Shanghaier Exekutivbüros des Allchinesischen Gewerkschaftsverbandes (AGV), 1935-1936 Mitglied der Delegation der KP Chinas bei EKKI und Mitglied des Exekutivbüros der RGI; 1955 Parteiausschluss und Inhaftierung.

 

I. E. Černov (1900-1959), eigentlicher Name Ovadis, 1932-1935 TASS-Korrespondent in Shanghai.

 

Der Bericht von Raymond Baker lässt ahnen, wie die illegale Arbeit der Komintern in Shanghai 1935 organisiert war. Asiaticus (Heinz Möller), obwohl von der Komintern nicht gelitten und – wie sich in den auf dieser Website präsentierten Dokumenten aus dem Jahre 1932 und 1934 zeigt – sogar direkt bekämpft, beteiligte sich dennoch an der illegalen Arbeit, verhielt sich solidarisch, leistete gemeinsam mit seiner Frau Hilfe.

 

Die Aussage Černovs über mögliche Verbindungen von Asiaticus mit der japanischen Regierung zeigt, wie man Asiaticus auszuschalten versuchte.

 

Der Bericht, von Baker nach seiner Rückkehr nach Moskau verfasst, vermittelt Eindrücke von der Situation in Shanghai, und er ist zugleich ein Zeugnis der peniblen Kontrolle aller – auch der kleinsten – Aktivitäten der EKKI-Mitarbeiter oder EKKI-Gesandten durch die Zentrale in Moskau und der Kontrolle des EKKI (und damit Stalins) über die Entwicklungen in der Gongchandang (der KP Chinas).