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Alfred Dreifuß: Shanghai – Eine Emigration am Rande

in: Exil in den USA, Verlag Philipp Reclam jun., Leipzig 1979

 

S. 470 - 473:
Die Gruppe der deutschen Kommunisten in Shanghai

 

Für die Kommunistische Partei Chinas arbeitende Ausländer (Genossen und Sympathisanten) gab es sowohl in Schanghai wie im übrigen China bereits vor unserem Eintreffen im Jahre 1939. Zu erwähnen ist hier die in Schanghai arbeitende Gruppe von Heinz Grczyb, der amerikanischen Schriftstellerin Agnes Smedley, die auch häufig im Innern tätig war, der Brüder Richard und Rudolf Paulick (in Schanghai seit 1933), Rude Hamburger, dem Polen Sternberg, Irene Weidemeier aus Göttingen stammend und seit Anfang der dreißiger Jahre in China politisch wirkend, Anna Wang, einer mit einem Chinesen verheiratet gewesenen Deutschen, und, wenn auch damals einen andren Namen führend, die in unserer Republik bekannte Schriftstellerin Ruth Werner. Dies sind nur einige mir bekannte Namen von Menschen, die in jener Zeit mit chinesischen Genossen zusammen arbeiteten. Die Gruppe betrieb vorwiegend Informationsarbeit. Herausgegeben wurden in verschiedenen Sprachen gehaltene Informationsblätter, die ins Ausland versandt wurden. Ein ständiger Nachrichtendienst existierte. Unter dem Namen Peter Winsloe schrieb Richard Paulick in dem von der Gruppe herausgegebenen Periodical »The Voice of China« (»Chinas Stimme«) über die Lage in China, speziell über den von den Kommunisten geführten Kampf. All dies geschah unter strengsten konspirativen Vorzeichen. So hatte zum Beispiel Paulick für den Erhalt von Nachrichten aus dem Innern Chinas und dem Ausland viele Schließfächer auf dem Schanghaier Hauptpostamt. Und unter den Bedingungen der Konspiration ist auch der von Czollek nachstehend benutzte Ausdruck »politischer Salon« zu verstehen. Paulicks Wohnung in der Bubblingwell Road durfte nicht als Kommunistentreff auffallen. Leute aller Art, ja auch ausgewiesene Antikommunisten waren dort anzutreffen. In diesem Kreis lernten sich Czollek und Grczyb, die ab diesem Zeitpunkt Hand in Hand arbeiteten, kennen.

 

Wenige Monate vor seinem im Jahre 1972 erfolgten Tode übergab mir Genosse Walter Czollek, seinerzeit Leiter des Verlages Volk und Welt Berlin, eine Schilderung seiner in Schanghai ausgeübten Parteiarbeit, aus der nachfolgend zitiert wird.

 

»Ankunft am 17.VI. 1939 in Schanghai, Whangpoo- Warf 3. Abgeholt von Alfred Dreifuß und Max Lewinson. Wohnung zunächst in der Ward Road mit Schwester Erika. Schnellster Beginn, Genossen aufzuspüren und zu organisieren. Durch Dreifuß baldige Verbindung zu Richard Paulick, der so etwas wie einen ›politischen Salon‹ führte. Dort Bekanntschaft mit dem bereits eingesessenen Schanghaier Heinz Grczyb, alias Erich Möller, alias Asiaticus. Alter deutscher Genosse, der Bremer Linken entstammend, ausgeschlossen von der Komintern als Brandleranhänger. Rehabilitiert durch Dimitroff 1941. Publizistisch für die chinesische Partei tätig, in fortschrittlichen amerikanischen Zeitungen Interpret der fernöstlichen Sowjetpolitik.« (Hier ist zu nennen die »China Weekly Review«, deren Chefredakteur der Amerikaner Powell war – A. D.) »Durch Grczyb erhielt ich die Verbindung zu TASS und zur KPCh = Kommunistische Partei Chinas. Davor jedoch Schaffung einer Parteigruppe unter den Emigranten, die von Hans König, mir und zeitweise von Günther Nobel geführt wurde. Intensive Aufklärungsarbeit und Überwindung durch den Pakt Sowjetunion-Deutschland hervorgerufener Schwankungen zunächst innerhalb der Gruppe. Dann aktiveres Auftreten unter den Emigranten, allerdings mit wenig Erfolg, da antikommunistische Tendenzen vorherrschten. Die Emigration setzte sich im wesentlichen aus Kleinbürgern ohne ausgeprägte politische Interessen zusammen. Der Kampf um die bloße Existenz ließ bei ihnen keine Blickerweiterung zu. Bereits Ende 1939 oder Anfang 1940 aktive Verbindung zur chinesischen Partei. Mit Alfred Dreifuß in einem Zimmer in der ›Route des Soeurs‹. Danach im Auftrag der chinesischen Partei Mietung eines kleinen Hauses in der Rue Lafayette. Etablierung einer Funkstation, Verbindung zum Hauptquartier der Neuen Vierten Armee, die im Yangtse-Gebiet Zentralchinas bis Dezember 1940 gegen die Japaner operierte und weite Gebiete befreit hatte.

 

Hereinnahme von Nachrichten aus Yennan für die Schanghaier Leitung. Inhalt beider Verbindungen blieb mir unbekannt, da ich nur Zahlenkolonnen funkte und hereinnahm. Inzwischen auch laufende Verbindung zu TASS und zur Sowjetischen Botschaft. Unterstützung von Bemühungen der Genossen, in die Sowjetunion zu kommen, Jahre hindurch völlig vergeblich. Erst nach dem Kriege erfuhren wir, dass die Gesamtheit unserer mehrfachen Anträge mit ihren neun Kopien der Fragebögen in der Tokioter Sowjetischen Botschaft bei einem amerikanischen Luftangriff verbrannt waren. Beteiligt an der Einrichtung des TASS-Senders ›Stimme der SU in Shanghai‹ durch Vermittlung des Kerns der deutschen Mitarbeiter. Als Sprecher und Übersetzer Kurt Raphael, als Kommentator Hans König. Er übernahm seine Arbeit am Sender unmittelbar nach dem Überfall Hitlerdeutschlands auf die Sowjetunion 1941. Wöchentlich sprach er mindestens zwei Kommentare, die sich mit der nazistischen Kriegspolitik auseinandersetzten. Diese Kommentare wurden in verschiedenen Sprachen gesendet. Regelmäßige und konstante Schulung der in Hongkju lebenden Genossen fast über die ganze Emigrationszeit hin. Abbruch des chinesischen Senders nach Ausweitung des Weltkrieges in den Pazifik. Aufgabe des Hauses von einem zum anderen Tag. Beziehung eines Ausweichquartiers. Name der Straße vergessen. Aufrechterhaltung der Verbindung zur chinesischen Partei ununterbrochen bis zur erzwungenen Segregation in Hongkju. Kurierdienste innerhalb Schanghais. Aufnahme einer Arbeit in einem von Emigranten und Chinesen betriebenen kleinen Chemiebetrieb in der Bubblingwell Road als Heizer. Bald darauf Vorarbeiter. Einschleusung chinesischer Genossen. Verbindung zu TASS nach dem Tode von Heinz Grczyb, der hinter den japanischen Linien während einer Reise für ein Buch über die von der KPCh befreiten Gebiete umkam, abgebrochen, da kein Anlass mehr bestand und meine Verbindung zur chinesischen Partei nicht gefährdet werden durfte. Einschränkung der Aktivität der Genossengruppe nach außen seit Überfall auf Pearl Harbour. Schulungsintensität gleichmäßig erhalten, besonders in der Ghettozeit. Selbststudium marxistischer Literatur, soweit erhältlich. Nach Ende des Krieges Übersetzer und Sprecher bei TASS … Beteiligung an der Gründung der ›Shanghai Residence Association‹, die die Interessen der von Schanghai fortstrebenden Emigranten vertreten sollte. Hierbei nur geringer Erfolg bezüglich einer Rückkehr nach Deutschland. Schließlich Organisierung und Durchsetzung der Repatriierung dazu bereiter Genossen nach Deutschland.«

 

Soweit der Bericht des Genossen Walter Czollek.