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Wolfram Adolphi: Beidseitig lohnende Geschäfte - Ein Streifzug durch die chinesische Geschichte (Teil 3)

 

In: Neues Deutschland vom 02.08.2008

 

Am Beginn des 20. Jahrhunderts war Zhongguo, das Reich der Mitte, zum Spielball der imperialistischen Mächte herabgesunken. Die Hafenstädte in der Hand westlicher Unternehmen, die die heiß begehrten Landesprodukte für geringstes Entgelt erwarben und in Europa und den USA mit höchstem Profit vermarkteten; die wichtigsten Eisenbahnlinien ebenso in ausländischem Besitz wie die großen Bergwerke; und dies alles bei gleichzeitig rasch zerfallender Macht des letzten Kaiserhauses, der Qing-Dynastie – das war die Situation, in der sich im Jahre 1900 die in Europa »Boxer« genannten Yihetuan zum Aufstand erhoben. Dessen Niederschlagung 1901 durch eine internationale Interventionsarmee markierte den nicht mehr zu überbietenden Tiefpunkt äußerster Demütigung.

 

Mit der Revolution von 1911 wurde die Jahrtausende alte Kaiserherrschaft beseitigt, aber der Zerfall des Landes setzte sich fort. Regionale Militärherrscher führten blutige Kriege gegeneinander, die Ausplünderung des Landes durch die imperialistischen Mächte ging weiter. Die Revolution 1925-1927 erwuchs aus diesen Verhältnissen und war zugleich Ausdruck der ungeheuren Ausstrahlung der russischen Oktoberrevolution. Sun Yatsen, Begründer der Guomindang und von 1921 bis zu seinem Tode 1925 Präsident der in Südchina geschaffenen Kantoner Republik, suchte nach neuen Formen der internationalen Zusammenarbeit. Ein Kontinentalbündnis der drei aus dem ersten Weltkrieg geschwächt hervorgegangenen Länder China, Sowjetunion und Deutschland sollte ihm helfen, die alten Kolonialmächte aus China zu vertreiben.

 

Diese Idee wurde von Sun Yatsens Nachfolger Jiang Jieshi (Tschiang Kaischek), der 1927 nach der blutigen Ausschaltung der kommunistischen Kräfte der Revolution in Nanjing (Nanking) eine Nationalregierung bildete, bis in den Zweiten Weltkrieg hinein verfolgt. Die Schritte zu ihrer Ausformung bilden wegen der widersprüchlichen Verwicklung Deutschlands ein bis heute hier nur wenig beachtetes Kapitel des Aufstiegs Chinas im 20. Jahrhundert.

 

In der DDR ist immer der Rapallo-Vertrag mit Sowjetrussland von 1922 gewürdigt worden; dass es aber in der Folge nicht nur Handel, sondern auch eine geheime, den Versailler Vertrag unterlaufende militärische Zusammenarbeit gab, wurde nicht thematisiert. Eine solche Zusammenarbeit gab es ab 1927 auch mit China. Wirtschaftlicher Austausch und militärische Kooperation, wesentlich gefördert dadurch, dass sich die Diktatoren Jiang Jieshi und Adolf Hitler in ihrem militanten Antikommunismus und ihrer Gegnerschaft zu England und Frankreich sehr nahe waren, führten Deutschland bis zum Frühjahr 1937 an die Spitze von Chinas Außenhandelspartnern. Deutsche Waffen und Militärberater gegen chinesische Rohstoffe – das waren die Geschäfte, mit denen sich beide Länder gegenseitig stärkten. Und noch im Sommer 1940 spielte man in Chongqing (Tschunking), wohin sich Jiang Jieshi vor der seit dem 7. Juli 1937 wütenden japanischen Aggression zurückgezogen hatte, mit dem Gedanken, man könne das Kontinentalbündnis mit Leben erfüllen. Hatte Deutschland nicht Frankreich blitzschnell besiegt? Würde Großbritannien nicht bald fallen? War Deutschland nicht mit der Sowjetunion durch den Nichtangriffspakt vom 23. August 1939 verbunden? Und hatte China nicht auch – seit dem 21. August 1937 – einen Nichtangriffspakt mit der Sowjetunion?