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Asiaticus: Japan und die Mongoleiin:
Shanghai.
Die bürgerliche Presse Europas, erklärt die japanische Expansion in Ostasien mit zwei Theorien: erstens sind die Japaner eine »aggressive Rasse«, zweitens handeln die japanischen Generale den friedlichen und gemässigten Direktiven der japanischen Regierung zuwider. Nun sind die japanischen Arbeiter und Bauern ebensowenig aggressiv wie die deutschen oder die englischen; auch ist es nicht das »kriegerische« Blut der Samurais, das die japanischen Generale treibt, sondern der Heisshunger des japanischen Kapitalisten nach Rohstoffquellen und Monopolmärkten. Und die japanische Regierung ist verfassungsmässig gar nicht in der Position, der Generalität Direktiven zu erteilen. In den Hauptfragen arbeiten sich vielmehr Generalität und Regierung in die Hände, während die geringeren Streitfragen nicht die Ziele des japanischen Imperialismus sondern die Führung der politischen Geschäfte zur Erreichung dieser Ziele betreffen. Die Generalität will die politischen Geschäfte selber führen, und zwar auf einer stabileren Grundlage als auf dem Boden der in Japan korrumpierten und diskreditierten bürgerlichen Demokratie. Die Parteien und die Regierung denken nicht daran, etwa die. militärischen Geschäfte in die eigenen Hände zu nehmen; sie flehen nur die Generalität um Mässigung und Selbstbescheidung an.
So verendet Japans parlamentarische Ara, die niemals über ein kümmerliches Dasein im Schatten der Hofkamarilla und der Generalität hinausgelangt ist. Dass diese Ära langsam stirbt, ist weniger auf den Widerstand der bürgerlichen Parteien als auf die Angst der HofkamariIla vor der Militärkaste zurückzuführen. Diese Angst hat in Japan ihre Tradition. In den »Kaiserlichen Grundregeln für die Soldaten und Matrosen« wird daran erinnert, welchen Kampf die Krone mit den feudalen Kriegerkaste auszufechten hatte, die zuerst die mi1itärische und dann auch die politische Macht usurpierten und die Krone siebenhundert Jahre zu einem ohnmächtigen Schattendasein verurteilten. »Diese Zustände« – heisst es dort – »waren dem fundamentalen Charakter Unseres Reiches und dem Gesetz Unserer kaiserlichen Ahnen entgegengesetzt.« Dem sei dann mit der Restauration der obersten zivilen und militärischen Macht des Kaisers 1869 ein Ende gemacht worden, und »es ist Unser Wille, dass die Schande jener Zeit sich niemals wiederholen möge.« Die Generalität wird heute über diese Grundregeln, die jeder Soldat auf den Weg kriegt, nicht stolpern, umsomehr da sie die volle Wiederherstellung der kaiserlichen Autorität verspricht und der Krone sogar die Ehre erweist, die Gewinnung der japanischen Arbeiter für ihr Unternehmen »kaiserlichen Sozialismus« zu taufen.
Die Innere und die Äussere Mongolei umfassen zusammen ein Gebiet von mehr als 1,3 Millionen Qadratmeilen; das ist fast das Vierfache des Gebiets der Mandschurei, mir einer Bevölkerung von schätzungsweise zwei bis drei Millionen, von denen etwa 6oo.ooo bis zu einer Million in der Äusseren Mongolei wohnen. Die Mongolen, einst ein kriegerischer Nomadenstamm, der im zwölften Jahrhundert unter Dschingiskhan ein Weltreich beherrschte und dann zwei Jahrhunderte das chinesische Reich unter einer eigenen Dynastie regierte, sind bis heute grösstenteils Halbnomaden geblieben. Sie leben zerstreut in kleineren Gruppen, und waren jahrhundertelang eine Beute der chinesischen feudalen Ausbeuter, die ihren Fürsten und Lamas eine privilegierte Position als Sklavenhalter gewährten.
Wie das andere grosse chinesische Vasallenland Sinkiang (Chinesisch-Turkestan) hatte auch die benachbarte Mongolei vor der Eröffnung der Osthäfen eine grosse Bedeutung; sie war das Durchgangsland nach dem nördlichen und dem zentralen Asien, nach Kleinasien und Europa. Mit dem Niedergang des altchinesischen Reiches verfielen und verkamen diese Länder; die alten Kommunikationswege und Marktzentren verödeten und die einst kriegerischen und gefürchteten Stämme, Schatten alter feudaler Herrlichkeit, vermoderten in grauenhaft primitivem Aberglauben.
Nur in der Äusseren Mongolei, die durch die Wüste Gobi von der Inneren getrennt ist, ist seit etwa einem Jahrzehnt ein Wiederaufstieg erfolgt. Während die chinesischen Generäle ihr Regiment über die Innere Mongolei behaupten konnten, ist in der Äusseren Mongolei schon seit Jahrzehnten von einer ernsthaften zentralen Autorität Chinas keine Rede mehr. Der zaristische Imperialismus konnte leicht das Erbe Chinas antreten und das ohnehin schon verarmte Land noch weiter niederdrücken. Als die Oktoberrevolution dem russischen Imperialismus ein Ende machte und schliesslich auch Sibirien befreite, wurde die Äussere Mongolei zur letzten Zufluchtstätte der weissen Armee. In Urga, dem späteren Ulanbator, etablierte sich die weissgardistische Regierung des Baron Ungern-Sternberg, deren Kraft jedoch nur noch zu banditenhaften Ausfällen nach Ostsibirien und zur Brandschatzung der mongolische Bevölkerung reichte. Im März 1921 wurde in Kiachta eine provisorische mongolische Revolutionsregierung gebildet; vier Monate später wurde die Regierung Ungern-Sternberg mitsamt dem Präsidenten, dem Lebenden Buddha, im Volksaufstand (unterstützt durch den Einmarsch der Roten Armee) gestürzt. Eine konstituierende Versammlung proklamierte im November 1924 die Äussere Mongolei zur Mongolischen Volksrepublik; sie beseitigte alle Überreste des feudal-theokratischen Regimes, erklärte das gesamte Land zum Gemeineigentum des Volkes, beschloss die Schaffung einer eigenen mongolischen volksrevolutionären Armee, trennte die Kirche vom Staat und erklärte, dass die Aussenpolitik des neuen Staates sich die Interessen und Ziele der unterdrückten Völker und revolutionären Arbeiter der ganzen Welt zu eigen machte.
Die Sowjetunion hat dem mongolischen Volk geholfen, seine Freiheit zu erkämpfen und sich auf eigene Füsse zu stellen. Um aber jeden Anschein zuvermeiden, als mache sie die Äussere Mongolei zur russischen Kolonie, zog sich ihre Rote Armee noch 1925 aus dem Gebiet der Äusseren Mongolei zurück. Dass sich heute die Äussere Mongolei (übrigens auch Sinkiang), deren Handelswege mit China verkümmert und verfallen sind, handelspolitisch sehr stark mit den in rascher Entwicklung befindlichen Nachbargebieten der Sowjetunion verbunden fühlt, ist ganz natürlich und beweist nur, dass die Beziehungen zwischen einer Grossmacht und ihren zurückgebliebenen Nachbarländern sehr wohl auf einer anderen auf der ränberisch-imperialistischen Grundlage beruhen können. Voraussetzung ist allerdings der Sturz des Imperialismus und die Vernichtung seiner sozialen, wirtschaftlichen und politischen Positionen.
Die Bedeutung der Äusseren Mongolei liegt jetzt vor allem auf strategischem Gebiet, da dieses Land leicht zum Ausgangspunkt eines kriegerischen Angriffs auf Ostsibirien werde kann. Darin sind sich auch die imperialistischen Beobachter völlig einig. Ein Fachmann auf diesem Gebiet, Sir Frederick Whyte, schrieb schon vor einem Jahr im Zusammenhang mit dem japanischen Angriff auf die Mongolei im londoner »Observer«:
»Das ganze Ziel der japanischen Strategie, politisch und militärisch, ist Russland von der pazifischen Küste zu verdrängen … Während auf der einen Seite die isolierte Position Wladiwostoks es der Gefahr eines japanischen Angriffs aussetzt und die rapide Ausdehnung der japanischen strategischen Bahnen in der nördlichen Mandschurei die sibirische Verkehrslinie abzuschneiden droht, ist das andere Tor die Mongolei … «
Die Strategie des japanischen Generalstabs geht von dem Grundsatz aus, dass ein Angriff auf die Sowjetunion von der mandschurischen Seite nicht ausreiche; obendrein berge er die Gefahr, dass die Mandschurei und Japan selbst Schauplatz des Krieges (vor allem der Luftangriffe) sein würden. Erfolgt der Angriff von der Äusseren Mongolei aus g1eichzeitig auf Tschita und Irkutsk, so ist es möglich, den Hauptplatz des Krieges in die Zone des Bajkalsees zu verlegen. Das, und nicht die Aussicht auf das Geschäft der Viehzucht und des Fellhandels, lockt Japan in die Äussere Mongolei. Mit gewinnbringenden Geschäften ist der japanische Imperialismus jetzt in der Mandschurei und vor allem in Nordchina voll beschäftigt, und kein japanischer Kapitalist erhofft gegenwärtig und in absehbarer Zukunft irgendwelche Geschäftsaussichten in der Äusseren Mongolei. Dafür hat aber der japanische Generalstab seine besonderen Perspektiven. Ein militärischer Angriff Japans auf die Äussere Mongolei bedeutet nichts weniger als ein unmittelbares Vorspiel zum Überfall auf die Sowjetunion. Das Ziel eines solchen Artgriffs liegt so klar zutage, dass man ohne Übertreibung sagen kann, damit begönne der japanische Krieg gegen die Sowjetunion. |
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